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Gutshöfe Estlands
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Estland gelangte Anfang des 13. Jahrhunderts auf die Weltkarte und in den europäischen Kulturkreis, als die Kreuzritter die damals heidnische Ostküste der Ostsee erreichten. Das estnische Gebiet wurde erobert und christianisiert, die Einwanderer überwiegend deutscher Herkunft übernahmen die Vorherrschaft. Von da an waren die heutigen Territorien Estlands und Lettlands unter dem Namen Livland, später auch Alt-Livland bekannt. Die Gebiete wurden unter Dänen, dem Orden und mehreren Bistümern aufgeteilt.

Die Kreuzritter brachten die Kunst des Kalkbrennens mit sich, die hierzulande noch unbekannt war. Dies veränderte das Erscheinungsbild des Landes erheblich: Es entstanden stabile monumentale Steinbauten. Zunächst wurden Steinkirchen als Symbole der neuen Macht errichtet, bald folgten ihnen die ersten steinernen Festungen. Alle vier Herren im mittelalterlichen Estland - das dänische Königreich, der Livländische Orden und die Bistümer Saare-Lääne/Oesel-Wiek und Tartu/Dorpat – bauten in hiesigen unruhigen Gebieten Burgen. Bis zum Ende des Mittelalters standen in Estland 30 größere Steinfestungen.

Um die eroberten Gebiete zu verwalten, vergaben sowohl der Orden als auch die Bistümer diese als Lehen an Vasallen deutscher Herkunft. So entstanden die ersten Gutshöfe. Zusätzlich bauten auch der Orden, die Bistümer und die Klöster Landgüter für ihre mannigfaltige wirtschaftliche Tätigkeit. Bis zum Ende des Mittelalters wurden in Estland rund fünfhundert Gutshöfe gezählt. Ein Großteil von ihnen bestand aus einfachen Holzbauten, etwa hundert Höfe waren jedoch als steinerne Wohnburgen (Vasallenburgen) ausgebaut.

Nach dem Livländischen Krieg Mitte des 16. Jahrhunderts lagen die hiesigen Festungen in Ruinen, der Bau der Gutshöfe bekam aber neuen Antrieb. Als der Orden und die Bistümer verschwanden, fiel den ehemaligen Vasallen in der hiesigen Staatsordnung eine immer wichtigere Rolle zu. Die als Ritterschaften bekannten Vereinigungen des Adels erfüllten in Estland bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zahlreiche Funktionen der Selbstverwaltung. Als Haupttyp der Gutshöfe bildete sich das sogenannte Rittergut aus. Sein Besitzer besaß eine Reihe ständischer Rechte, hatte aber auch eine Vielzahl staatlicher Pflichten zu erfüllen. Bis zum 18. Jahrhundert war die Zahl der Gutshöfe auf nahezu tausend angewachsen.

Die Gutshöfe und die Selbstverwaltung des Adels erreichten im 18. Jahrhundert ihre Blütezeit. Im Nordischen Krieg Anfang des 18. Jahrhunderts (geführt zwischen Russland und Schweden) unterlagen die estnischen Gebiete der russischen Krone unter der Bedingung, dass alle bisherigen Rechte und Privilegien des Adels erhalten bleiben. Man spricht von der sogenannten baltischen Sonderordnung. In Wirklichkeit wurden die Rechte der Adligen sogar gestärkt. Zusätzlich nahm der hiesige Adel in den herrschenden Kreisen des kaiserlichen Russlands eine wichtige Stellung ein. Somit wurde Alt-Livland, d.h. die baltischen Provinzen, (die heutigen Gebiete Estlands und Lettlands) zu einer der meist entwickelten Gegenden des Zarenreiches. Gleichzeitig wuchs jedoch die Unterdrückung der überwiegend estnischen Bauern.

Die Blütezeit repräsentativer Gutskomplexe begann etwa in den 60er Jahren des 18. Jh.-s und dauerte mehr als anderthalb Jahrhunderte, d.h. bis zum Ersten Weltkrieg. Alles, was bis heute erhalten geblieben ist, stammt bis auf wenige Ausnahmen aus dieser Zeit. Im 18. Jahrhundert und Anfang des 19. Jh.-s konzentrierten sich die hauptsächlichen Bautätigkeiten auf Nord-Estland, wo eine Reihe barocker und klassizistischer Gutshöfe entstand. Im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jh.-s nahm der Bauboom auch in Südestland neuen Anlauf und hinterließ dort viele Güter im historistischen und Jugendstil.

Die imposanten Zentren der Gutshöfe waren als großzügige Ensembles gestaltet. Oft umgaben riesige Parkanlagen mit Lauben, Skulpturen, Gewässern und Brücken das schlossähnliche Herrenhaus in der Mitte. Vor dem Hauptgebäude befand sich gewöhnlich eine kreisförmige Straße, ein sogenannter „Ehrenkreis“. An dieser Straße lagen in vielen Höfen die wichtigsten Wirtschaftsgebäude – ein Speicher und ein Pferdestall mit Kutschenstellplatz. Die übrigen Häuser befanden sich in unmittelbarer Nähe. Hinter dem Hauptgebäude begann üblicherweise die Parkanlage.

Ein Zaun grenzte gewöhnlich den Park und den Komplex der Wirtschaftsgebäude ein. In vielen Fällen wurde zusätzlich eine Steinmauer als Grenze errichtet und mit kunstvollen Toröffnungen, manchmal sogar Tortürmen, geschmückt. Die Riege, das Trocknungsgebäude für Getreide und die Schmiede als feuergefährliche Gebäude lagen meistens weiter entfernt. Die Zufahrtswege waren häufig schnurgerade und als Alleen gestaltet. In den größeren und imposanteren Gutshöfen fügten sich alle Häuser und deren Details zu einem einheitlichen Ensemble zusammen. Auch die zentralen Gebäude von kleineren und bescheideneren Gütern stellten oft stilvolle Komplexe dar, wo der Standort und die Proportionen der Häuser kunstvoll gewählt und harmonisch in die natürliche Umgebung eingefügt worden waren.

Ohne Hoflagen und Pastorate wurden auf dem estnischen Gebiet um 1910 1245 Gutshöfe gezählt. 1026 von ihnen waren Rittergüter. Es gab 122 Staatsgüter, 69 Landstellen (kleine Gutskomplexe ohne Privilegien und Rechte) sowie 17 Stadtgüter. 11 Gutshöfe gehörten den Ritterschaften. Zusammen mit 108 Kirchengütern (auch Pastorate genannt) und den nahezu 600 Hoflagen (eigenständige Gebäudekomplexe, die von ihren Haupthäusern weiter entfernt lagen) zählen wir etwa zweitausend verschiedene Gutshofzentren.

Den ersten Rückschlag erlebten die Gutshöfe 1905. Während der in Russland ausgebrochenen Revolution brannten die Aufständischen mehr als 100 Gutshöfe nieder. Schlimmer als die materielle Zerstörung war das Auslöschen der Beziehungen und Traditionen. Das Jahr 1905 richtete die ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen dem estnischen Bauernvolk und der Elite der baltischen Adligen deutscher Herkunft endgültig zu Grunde. Der Erste Weltkrieg beendete die bisherige Ordnung Alt-Livlands. Auf ihren Ruinen schufen die Esten 1918 einen unabhängigen Nationalstaat, in dem sie weder den Gutshöfen noch den baltischen Adligen eine nennenswerte Stellung einräumten. Die 1919 durchgeführte Bodenreform beendete das Gutshof-Zeitalter, indem sie alle Gutsbesitzer enteignete. Die Ländereien, unter ihnen auch die architektonisch ganzheitlichen Gebäude-Ensembles, wurden in kleine Bauernhöfe für Neusiedler zerstückelt.

Es folgte ein rascher Niedergang der Gutskomplexe. Nur die geeignetsten Gebäude wurden als Schulen, Kinderheime, Kulturhäuser etc. genutzt. Viele Gutshöfe blieben jedoch ohne bestimmte Verwendung und verfielen langsam. 1939 verschwand auch die letzte Verbindung zwischen den Höfen und ihren historischen Besitzern. Während des beginnenden Zweiten Weltkrieges wurden alle noch in Estland lebenden Baltendeutschen nach Deutschland umgesiedelt.

Die sowjetische Machtübernahme in den 40er Jahren des 20. Jh.-s verstärkte den Untergang der Gutshöfe: Die baltischen Adligen wurden als „Blutsauger des Bauernvolks“ angesehen. Deswegen wurden weder ihr geistiges Erbe noch ihre Bauwerke geschätzt. Der Wert der Gutsgebäude richtete sich allein nach ihrem praktischen Nutzen. Nur diejenigen Häuser blieben erhalten, die als Kolchosezentren (Kolchose – landwirtschaftlicher Großbetrieb), Schulen, Wohnungen verwendet werden konnten. Die übrigen Gebäude verfielen allmählich oder wurden abgerissen.

Erst in den 60-70er Jahren des 20.- Jh.-s begannen hier und da lokale Enthusiasten, der offiziellen Politik zum Trotz, die Gutshöfe wieder zu schätzen und heimlich die wertvolleren Gebäude zu restaurieren. In den 80er Jahren verschwanden nach und nach auch die ideologischen Barrieren. In der 1991 wieder hergestellten Republik Estland werden die deutschstämmigen Adligen und ihre Gutshöfe nicht mehr ausschließlich im negativen Licht gesehen, wie es sieben Jahrzehnte lang der Fall war. Sie werden als ein wesentlicher Teil der eigenen Geschichte und als Träger der abendländischen kulturellen Werte geschätzt. Ihnen ist zu verdanken, dass Estland über sieben Jahrhunderte lang ein Stückchen Europas gewesen ist.

Lange Jahrzehnte haben jedoch ihre Spuren hinterlassen. Anfang 2005 waren nach Angaben des Verfassers 414 Gutshöfe (ohne Pastorate und Hoflagen) in ihrer ursprünglichen Gestalt erhalten, d.h. etwa ein Drittel der Gesamtanzahl. Dazu können wir noch etwa zwei hundert stark umgebaute und in Ruinen liegende Gebäude zählen. Das Übrige ist verschwunden.

Etwa hundert Gutshöfe sind in unserer Zeit jedoch in bester Verfassung und haben eine passende Verwendung gefunden. Sie können ohne Scheu als eine Visitenkarte Estlands exponiert werden.

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